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30.06.2022 Oberösterreich

Co-hou­sing in Dä­ne­mark

Stadtteil Trekroner in Roskilde
Stadtteil Trekroner /Roskilde

Eine Bildungsreise nach Kopenhagen und in die umliegenden Regionen 23.-28.5.2022

Ökodorf Munksögard bei Roskilde. Führung: Eva Diekmann

Mein erster Eindruck: Weitläufige Anlage, Naturwiesen, Schafe, Ziegen, Hochlandrinder, Feuchtbiotope als Retentionsbecken gegen Überschwemmungen. Ja, und eine Pflanzenkläranlage für die Abwässer von 100 Häusern, welche nicht an den öffentlichen Kanal angeschlossen sind. Der Urin der Bewohner:innen wird in Trenntoiletten gesammelt und als Dünger auf die benachbarten Felder ausgebracht. In Österreich würde so etwas an den Raumordnungs- und Umweltgesetzen scheitern.

 

Es gibt fünf Wohngruppen zu je 20 Häusern, welche je über ein Gemeinschaftshaus für gemeinsame Aktivitäten verfügen. Es gibt eine Wohngruppe bestehend aus Einfamilienhäusern im Eigentum, eine als Genossenschaft organisierte Wohngruppe; eine Wohngruppe wird von Senior:innen bewohnt, wobei auffällt, dass die Wohnungen im Obergeschoss über eine Außenstiege, also nicht barrierefrei, erreichbar sind; eine Wohngruppe gibt es für Jugendliche, eine für Familien, die letzteren drei als Mietobjekte. Ein Gemeinschaftsgarten wird vor allem von den Senior:innen betrieben, ist aber für alle zugänglich!

Alle Holzhäuser wurden umweltfreundlich aus ökologischen Materialien hergestellt. Ein mit Pellets betriebenes Heizwerk sorgt für Nahwärme. Ein bestehender Bauernhof wurde gemeinschaftlich gekauft und beinhaltet jetzt einen Hofladen.

 

Es wurde auf öffentliche Verkehrsanbindung geachtet, einige Elektroautos stehen für Carsharing zur Verfügung. Die Verwaltung erfolgt in Form von Arbeitskreisen für die einzelnen Bereiche wie Heizung, Kläranlage, Abfall, Wirtschaftsgebäude, Gemeinschaftshäuser, Organisation von gemeinsamen Aktivitäten usw. sowie in Form von regelmäßig abgehaltenen Treffen der Bewohner:innen der einzelnen Wohngruppen und einer Generalversammlung für die gesamte Siedlung.

 

Wohnprojekt Egebakken nahe Hillerröd nördlich von Kopenhagen

Das Wohnprojekt Egebakken unterscheidet sich wesentlich vom Ökodorf Munksögard. Es versteht sich als für Erwachsene ausgerichtet, bewohnt werden kann es laut Statut des Siedlungsvereins, in dem alle Bewohner:innen Mitglieder sind, erst ab dem 50. Lebensjahr. Die Anlage, bestehend aus 29 unterschiedlich großen Einfamilienhäusern im Eigentum, macht einen sehr großzügigen Eindruck. Weitläufige Grünanlagen zwischen den Häuserzeilen scheinen weit weg von der hierzulande üblichen „Verdichtung“. Die in einem einheitlichen Stil gehaltenen Häuser sind barrierefrei, viele der derzeit 43 Bewohner:innen sind über 80 Jahre. Das 160 m2 große Gemeinschaftshaus steht als spontaner Treffpunkt ebenso offen wie für organisierte Anlässe. Die Gemeinschaftsarbeit ist freiwillig, der Betrieb der Infrastruktur wird finanziell von allen Bewohner:innen mitgetragen. Das nächste Geschäft befindet sich in 1,5 Kilometer Entfernung, die Busstation in fünf Minuten Fußweg.

 

Beiden Projekten ist gemeinsam, dass bei eintretender Betreuungs- und Pflegesituation die kommunalen Angebote in Anspruch genommen werden. Es gibt keine Vereinbarung unter den Bewohner:innen für gegenseitige Hilfeleistung, es sei denn sie erfolgt freiwillig.

 

Dazu ein Exkurs in das dänische Sozialsystem: Pflege und Betreuung sind steuerfinanziert. Die Gemeinden bekommen je nach Bedarf einen Anteil der Steuermittel für die Versorgung pflege- und betreuungsbedürftiger Personen. Die vielfältigen Leistungen – selbstverständlich auch Nachtdienste – sind für die Betroffenen kostenlos. 24-Stunden-Betreuung ist in Dänemark nicht üblich. Das Altenheim im zum neuen Stadtteil revitalisierten Freihafen, das wir besichtigen durften, ist eigentlich als betreutes Wohnen in Zweizimmer-Wohnungen mit Balkon organisiert. Zur Verfügung stehen Fahrrad-Rikschas und E-Roller für die Mobilität.

 

Ab dem Pensionierungsalter gibt es regelmäßige Informationen über mögliche Betreuungsleistungen sowie aufsuchende Sozialarbeit nach Wunsch, wo die spezifischen Bedürfnisse, die Wohnungs- und Familiensituation und die Infrastruktur erhoben werden. Danach wird ein Betreuungs- oder Pflegekonzept erstellt.

Es gibt in Dänemark eine große Nachfrage nach gemeinsamen Wohnformen und auch schon sehr viele Projekte, wie uns unsere Gesprächspartner:innen berichteten. In Egebakken beispielsweise haben sie eine lange Warteliste auf freiwerdende Häuser und allein um Roskilde gibt es 25 existierende Projekte, viele weitere sind geplant.

Was sonst noch auffällt: Es gibt kaum E-Räder oder E-Scooter. Die Menschen fahren diszipliniert auf gut ausgebautem Radwegenetz mit durchaus herkömmlichen bis alten Fahrrädern, die durchwegs unversperrt abgestellt werden. Das Vertrauen in die Mitmenschen und auch eine große Bereitschaft, sich an Regeln zu halten, dürfte in der dänischen Bevölkerung vorhanden sein! In den großzügigen neuen Stadterweiterungsgebieten Kopenhagens – vor allem in den alten Häfen – entsteht mutige, ausgefallene, aber qualitätsvolle Architektur.

 

Dänemark ist eine Reise wert!

Doris Eisenriegler Portrait
Doris Eisenriegler

Finanzreferenztin der Generation plus Österreich, Obfrau der Generation plus Oberösterreich

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