Besuch der Marc Chagall-Ausstellung in der Albertina Wien
“Früher war es über alle Parteigrenzen hinweg Konsens, dass sich Österreich als Kulturnation versteht und alle öffentlichen Kulturhäuser nicht nur einen netten Schmuck, sondern eine Grundkonstante darstellen, wodurch die Förderung selbstverständlich ist.
Ich hoffe, dass diese Förderung nicht angegriffen wird und wir weiterhin ein demokratisches, pluralistisches Forum sein können!”
Ralph Gleis, neuer Direktor der Wiener Albertina und Nachfolger des Langzeitdirektors Klaus Albrecht Schröder spricht anlässlich der Pressekonferenz, (die zufällig am gleichen Tag unseres Besuches am 15. Jänner 2025 stattfand) aus, was uns derzeit große Sorgen bereitet:
-Werden von einer – von einem rechtsextremen ‘Volkskanzler’ geführten – neuen Bundesregierung weiterhin die Förderungen der österreichischen Kulturinstitutionen nach objektiven Kriterien gewährt?
in weiterer Folge:
-Wird das von Ralph Gleis ausgerufene Motto “Die Albertina muss ein Museum für alle werden, Ausstellungen müssen Spaß machen” diesem Anspruch gerecht werden?
Schrecklich ist die Vorstellung einer pervertierten Umsetzung dieser Worte in der Art, dass die Albertina-Museen als ‘Volksmuseen’ geführt werden und der rechtsnational-populistischen Propaganda dienlich sein sollen!
‘Künstler:innen’, die während der NS-Zeit opportunistisch die besten Bedingungen für die Schaffung ihrer ‘Deutschen Kunst’ vorfanden und skrupellos gegen die sogenannte ‘Entartete Kunst hetzen konnten, würden wieder ‘gerechte Würdigung’ erfahren, und in der ‘Albertina modern’ würde man dem Haus- und Hofmaler der Rechtsextremen – Odin Wiesinger – huldigen!
Geschichte darf sich nicht wiederholen!
Eine Ikone der modernen Malerei – Marc Chagall – musste Zeit seines langen Lebens
(6. Juli 1887 – 28. März 1985) ziemlich alle Aspekte der persönlichen Erniedrigungen und Anfeindungen durchstehen:
– Als Jude durfte er sich nur in bestimmten Gebieten des Russischen Reiches aufhalten.
– Die Erlöse für die vom Berliner Kunsthändler Herwath Walden verkauften Werke Chagalls, eingezahlt auf ein Konto, wurden nach dem ersten Weltkrieg durch die Inflation wertlos.
– infolge der anfänglichen Begeisterung für die Oktoberrevolution 1917 kehrte Chagall nach Witebsk zurück und gründete 1919 die ‘Witebsker Kunstschule’. Enttäuscht über die Missachtung seiner künstlerischen Individualität trat er jedoch 1920 als dessen Direktor zurück (Konflikt mit Kasimir Malewitsch). 1922 verließ er Russland aufgrund Lenins Befehls zur ‘Säuberung des Landes von antisowjetischem Geist’.
– 1937 wurden 59 Werke Chagalls von den Nationalsozialisten für die Ausstellung ‘Entartete Kunst’ in München konfisziert. Chagall betrat nie mehr wieder deutschen Boden. Die Gestaltung von neun Kirchenfenstern für die Pfarrkirche St. Stephan in Mainz erfolgte von Frankreich aus.
– last, but not least: Sein Entwurf für den nach 1945 wieder zu errichtenden ‘Eisernen Vorhang’ in der Wiener Staatsoper (durch einen Bombentreffer im 2. Weltkrieg zerstört) wurde von der Jury lediglich an zweite Stelle gereiht.
Der Auftrag für die Gestaltung erging – Kommentar gelernter Österreicher:innen: ‘nona!’ – an Rudolf Hermann Eisenmenger – ehemaliges überzeugtes NSDAP Mitglied und einst von A.Hitler groß bewundert und hofiert.
Heute wird das Werk Eisenmengers nicht mehr gezeigt – doch Vorsicht – wir könnten uns noch wundern, was alles möglich ist!
Die ursprünglich als ‘privates Kunstgespräch’ gebuchte Veranstaltung wurde von einem jungen Guide (auf unseren Wunsch hin) exzellent als eine ‘private Gruppenführung’ durch die Ausstellung umgesetzt. Die Konzentration auf ein vertiefendes Gespräch zu einzelnen Werken Chagalls wäre – hinsichtlich seines riesigen, durch 8 Dekaden geschaffenen Oeuvres – unserer Absicht nicht gerecht geworden, seine Werke und deren Intentionen, wenigstens in groben Umrissen, verstehen zu lernen.
Um 13:15 Uhr schließlich peilten wir zu Fuß – über Neuen Markt und Stephansplatz- das gebuchte Restaurant ‘INIGO’, 1010 Bäckerstraße 18, an, zwecks Stärkung bei einem vorzüglichen Mittagessen in geselliger Runde.